Immer häufiger begegnet man Tibet Terriern mit kurzem Haar.
Sicher gibt es Gründe für das Abschneiden des Haares, doch ich höre immer häufiger:
„Der fühlt sich wohler so“, „Dem ist sonst zu warm“ oder „Der filzt so, da kommt man nicht mehr durch“.
Leider verbreiten sich diese Argumente immer mehr und der Tibet Terrier wird viel zu oft kurz gehalten, schlimmstenfalls sogar geschoren.
Da mir die Rasse und das Wohl des Hundes sehr am Herzen liegen, möchte ich zu diesem Thema ein wenig Aufklärungsarbeit leisten und mit dem ein oder anderen Vorurteil aufräumen. Ich möchte nicht verurteilen; ich kann vieles nachvollziehen. Ich möchte aufklären und helfen!
Vieles wird durch Unwissenheit und auch durch unsachgemäße Beratung in den falschen Hundesalons verursacht. Manch einer ist aber auch einfach ein wenig bequem… Ich spreche hier nicht von den Ausnahmen, bei denen ein Kürzen sinnvoll ist!
Ich gehe hier vom Normalfall aus – dem ganz normalen Durchschnitts-Tibeter.
Und der hat langes Haar!!
Das Haarkleid
Der Tibet Terrier hat ein doppelschichtiges Haarkleid. Die Unterwolle umgibt den Ansatz des Deckhaars und dient der Isolation – sie schützt sowohl vor Kälte als auch vor Hitze. Sie ist wenig pigmentiert, eher stumpf und besitzt eine feine, wollige Struktur.
Das Deckhaar bildet die oberste Schicht des Fells. Es ist pigmentiert, verleiht dem Hund seine Farbe und sorgt für Glanz. Gleichzeitig schützt es vor äußeren Einflüssen wie Regen und Wind und fungiert sozusagen als „Dach“ des Hundes. Das Deckhaar ist etwas fester in der Struktur und länger als die Unterwolle.
Beide Schichten sind wichtig und wirken nur im Zusammenspiel optimal.
Pflege des Haarkleides
Damit das Fell seine Funktion optimal erfüllt, muss es regelmäßig gepflegt werden. Das bedeutet, die Unterwolle sollte gelockert und abgestorbene Wolle entfernt werden, um die Haut gut zu belüften. So kann die Unterwolle nicht verfilzen, und neue Wolle kann nachwachsen. Dieser Prozess läuft das ganze Jahr über in unterschiedlicher Intensität ab. Besonders im Frühjahr kann die Pflege intensiver bis sehr intensiv sein, weshalb man die Pflege des Tibet Terriers (TT) nie vernachlässigen sollte.
Beim Auskämmen sollte das Deckhaar möglichst „verschont“ bleiben. Durch die Pflege wird das Fell glänzender, und die Farben kommen wieder intensiver zur Geltung. Die Unterwolle sollte auch nie vollständig ausgekämmt werden – ein gewisses Maß muss erhalten bleiben, damit das doppelschichtige Haarkleid seine Schutzfunktion behält.
Hier gilt: lieber ein bisschen weniger als zu viel auskämmen, da das die Pflege erleichtert. Vor allem im Sommer benötigt der Hund kaum Unterwolle, während man im Winter auch mal etwas mehr drinlassen kann. Im Frühjahr hingegen wird beim Kämmen richtig „Wolle rausgeholt“ – so wird der „Winterpulli“ abgelegt.
Die richtige Pflege will gelernt sein, und das passende Werkzeug ist dabei essenziell, um den Aufwand zu erleichtern. Schneidewerkzeuge sind absolut tabu – das Haar sollte (außer in Ausnahmefällen) nicht einfach abgeschnitten werden, schon gar nicht die Unterwolle. Sie darf weder geschnitten noch mit Schneidewerkzeug ausgedünnt werden. Stattdessen sollte immer nur ausgekämmt oder ausgehakelt werden.
Schneiden? Scheren? Bitte nicht!
Ein Tibet Terrier muss nicht geschnitten werden – und schon gar nicht geschoren! Warum? Es ist wichtig zu verstehen, was beim Schneiden tatsächlich passiert.
Hier noch einmal der Aufbau des Haarkleides:
Wenn das Fell kurz geschnitten oder geschoren wird, verliert der Tibet Terrier sein schützendes Deckhaar. Es bleibt oft nur das farblose, feine Woll-Fell zurück, das dicht auf der Haut sitzt und nun die Funktion des Deckhaars übernehmen müsste – was jedoch nicht möglich ist. Der natürliche Schutz geht verloren.
Da die Wolle zu kurz ist, lässt sie sich kaum mehr ausdünnen, und die Haut wird nur unzureichend belüftet. Bei sehr kurzem Haar ist es zudem extrem schwierig, die Unterwolle effektiv auszukämmen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die langfristigen Folgen für die Fellentwicklung: Wird der Hund über Jahre hinweg regelmäßig geschoren, wird das Deckhaar allmählich verdrängt, und irgendwann wächst fast nur noch Unterwolle nach. Das Fell verliert an Glanz, wirkt stumpf und farblos und liegt dicht und eng an der Haut.
Das dauerhaft kurze Fell wird oft wollig, glanzlos und dicht – und neigt dazu, lockiger zu werden als längeres Haar.
So würde die Struktur mit ausgekämmter und reduzierter Unterwolle aussehen:
Hier siehst Du Bilder eines Welsh Terriers, der nach jahrelangem Scheren nur noch aus farbloser Unterwolle besteht. Eigentlich hätte er getrimmt werden müssen und, wie beim Tibet Terrier, darf das Fell auf keinen Fall geschoren werden (wobei beim Tibet Terrier gekämmt statt getrimmt wird).
Die Bilder, zur Verfügung gestellt vom Hundesalon Pfötchenservice Sachsen, zeigen, wie stark das Fell leidet und sich verändert, wenn es nicht rassetypisch gepflegt wird. Das Fell dieses Hundes ist kaputt, farblos und grau – obwohl seine eigentliche Farbe „black & tan“ sein sollte.
Wenn ein Hund nur gelegentlich geschoren wurde, kann sich das Fell durchaus wieder erholen und in seinen normalen Zustand zurückkehren. Ein einmaliges Scheren richtet noch keinen dauerhaften Schaden an. Es dauert etwa ein Jahr, bis das Fell wieder seine volle Länge erreicht hat!
Es lohnt sich immer, das Fell wieder lang wachsen zu lassen und darauf hinzuarbeiten, dass der doppelschichtige Aufbau mit glänzendem Deckhaar zurückkehrt.
Argument: „Ich mag es optisch lieber, wenn es kürzer ist“
Wenn ein Tibet Terrier kürzer gehalten werden soll – sei es aus optischen Gründen oder weil es die Pflege etwas (!) erleichtern soll – dann sollte das Kürzen nur mit der Schere und nicht zu kurz erfolgen. Auch eine Schermaschine kann auf Länge schneiden, doch häufig wird unter „Scheren“ das Schneiden auf wenige Zentimeter oder fast bis auf die Haut verstanden. Deshalb spricht man hier besser vom „Schneiden mit der Schere“.
Missverständnisse entstehen oft durch diese unterschiedlichen Auffassungen der Begrifflichkeiten.
Übrigens kann auch mit der Schere zu kurz geschnitten werden. Es kommt also nicht allein auf das Werkzeug an, sondern vor allem darauf, wie viel Länge erhalten bleibt ;-)
Mindestens 8-10 cm Haarlänge sollten bestehen bleiben, damit die Unterwolle weiterhin gelockert und ausgekämmt werden kann. Ist das Fell zu kurz geschnitten und lässt sich die Unterwolle nicht mehr ausreichend bearbeiten, entstehen die genannten Probleme. Je länger das Haar ist, desto leichter lässt sich die Wolle durch Kämmen ausdünnen.
Es ist wichtig, sich der möglichen Folgen des Schneidens bewusst zu sein und diese im Sinne des Wohlbefindens des Hundes zu berücksichtigen. Der Tibet Terrier ist ein Langhaarhund, und sein Fell hat eine wichtige Funktion – es dient nicht nur der Optik ;-)
Auf meiner Seite gibt es ein Beispiel für einen Kurzhaarschnitt an meiner Yamika, die ich aus gesundheitlichen Gründen kürzen musste. Vorher wurde die Unterwolle gründlich gelockert und entfernt, sodass sie auch nachher noch gut bearbeitet werden konnte. Das Haar wurde mit der Schere gekürzt, aber die Länge war immer noch ausreichend zum Kämmen und Pflegen.
Später konnte ich es wieder länger wachsen lassen.
So wurde Yamika trotz Krankheit und erhöhter Empfindlichkeit in Wohlfühl-Stimmung gehalten: Die Unterwolle wurde regelmäßig ausgekämmt, und ihr Haarkleid blieb dadurch luftig und leicht.
Hier ein Bild von ihr neben der ausgekämmten Unterwolle:
Argument: „Mein Hund freut sich sichtlich, wenn das Fell ab ist.“
Logisch! Meist wird ein Hund geschoren oder geschnitten, wenn die Unterwolle bereits dicht und oft verfilzt ist. Natürlich ist es dann eine Erleichterung für den Hund, wenn das Haar ab ist – er kann sich wieder freier bewegen, und alles fühlt sich viel angenehmer an.
Diesen Effekt erreicht man übrigens genauso, wenn man den Hund stattdessen durch Bürsten und Kämmen von seiner dichten Unterwolle befreit! Ein luftig gepflegtes Haarkleid ohne Filz und überschüssige Unterwolle sorgt dafür, dass der Hund genauso freudig und unbeschwert umherspringt.
Der Unterschied: Der geschorene Hund fühlt sich nach einigen Wochen wieder unwohl, da die Unterwolle schnell zurückkommt und nicht entfernt wird. Das Fell verfilzt erneut, und es wird im Sommer sehr warm.
Ein Hund, dessen Unterwolle regelmäßig ausgekämmt und gelockert wird, bleibt dagegen dauerhaft in Wohlfühl-Stimmung und fühlt sich immer gut – solange die Pflege regelmäßig erfolgt.
Was wäre optimal?
Es leuchtet ein, dass dieser Zustand für den Hund optimal ist. Die Unterwolle muss regelmäßig gelockert und ausgebürstet oder gekämmt werden.
Wichtig ist, dass die Unterwolle niemals vollständig entfernt wird. Das Fell sollte stets zweischichtig bleiben, um seine optimale Funktion zu gewährleisten. Ein gewisser Anteil an Unterwolle ist notwendig, um den Hund vor Hitze und Kälte zu schützen.
Dabei gilt: lieber etwas weniger als zu dicht. Das bedeutet, regelmäßiges Bürsten und Kämmen sind entscheidend, um die Unterwolle auf ein angenehmes Maß zu reduzieren.
Auf das Argument: „Ich bin zu faul dazu“, gehe ich lieber nicht ein …
Argument: „Der lässt sich so schlecht pflegen und filzt nur.“
Man muss die Pflege lernen! Ich habe Jahre gebraucht, um Techniken zu entwickeln, die mir helfen, auch in schwierigen Phasen damit klarzukommen. Erfahrene Halter zeigen gerne, wie es geht, und geben Tipps in Videos, Pflegeanleitungen oder auch persönlich, wenn man Glück hat.
Es gibt gute Pflegeprodukte und gut entwickeltes Werkzeug, das die Pflege erheblich erleichtert. In meinem Shop biete ich hochwertige, weitestgehend natürliche Pflegeprodukte sowie das richtige Werkzeug zum Kämmen und Bürsten an. Schaut doch mal vorbei unter www.fellness-shop.de! Ich berate euch vor dem Kauf gerne.
Wenn der Hund stark verfilzt ist, muss manchmal zu Beginn das Fell runter, um einen sauberen Start für die zukünftige Pflege zu schaffen. Der Züchter ist in der Regel auch immer bereit, seinen Welpenkäufern Tipps zur richtigen Fellpflege und dem passenden Werkzeug zu geben. Einfach mal nachfragen und sich Hilfe holen, denn Unterstützung gibt es an vielen Stellen!
Ich selbst habe meine Lhaja damals einmal scheren lassen – weil ich es nicht besser wusste und absolut überfordert war! Sie hatte eine wahnsinnige Unterwolle, und ich kannte nicht die richtige Technik. Später, als sie älter wurde und krank war, habe ich sie nur noch mit der Schere gekürzt.
Auch muss manchmal die Pflege neu und ruhig aufgebaut werden, wie bei einem Welpen. Wenn man an einem Punkt ist, an dem der Hund nicht mehr mitmachen möchte, weil es einfach nur stressig für beide ist, dann muss man alles nochmal neu starten. Sieh dazu den Beitrag „Gewöhnung an die Pflege“.
Denn:
Keine Regel ohne Ausnahme!
Es gibt immer Ausnahmen und Gründe, bei denen es notwendig ist, das Haar zu kürzen. Das kann das hohe Alter, Hautkrankheiten, andere Gebrechen, desolate Pflegezustände oder Ähnliches sein.
Es kann auch durchaus vorkommen, dass der Halter aus welchen Gründen auch immer nicht in der Lage ist, seinen Hund so zu pflegen, wie es sein sollte.
Von diesen Fällen spreche ich nicht, und es ist klar, dass es immer Ausnahmen gibt.
Beispiel einer Ausnahme, die auch bei uns schon vorgekommen ist:
Hier geht’s zur Rubrik: Yamika im Short-Cut-Style.
Ich möchte niemanden verurteilen! Jeder sollte für sich selbst und seinen Hund entscheiden. Mein Ziel ist es, ein wenig Aufklärungsarbeit zu leisten.
Ich denke, dass in diesem Thema Aufklärungsbedarf besteht und es viele Vorurteile sowie Fehleinschätzungen gibt. Ich kann jeden Anfänger verstehen, der mit der Pflege zu Beginn einfach überfordert ist!
Ich hoffe, dass ich mit meinen Ausführungen dem ein oder anderen helfen kann und so auch der Rasse einen Dienst erweisen kann.
Denn, auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole:
Der Tibet Terrier hat langes Haar – und das nicht ohne Grund.
Und ich liebe es!
Petra Maaz
Wer den Text oder Teile davon auf seiner Seite veröffentlichen oder als Kopie weitergeben möchte, kann mich gerne kontaktieren und kurz Bescheid geben.